Der friedliche Protest

Von 1920 bis 1931 reichten die Sudetendeutschen insgesamt 24 Petitionen an den Völkerbund ein. Rechtliche Basis war Art. 14 des Minderheitenschutzvertrages vom 10. September 1919. Gegenstand der Petitionen waren die verschiedenstartigen Angelegenheiten, manche wurden mehrfach eingereicht: Verletzung der Minderheitenschutzbestimmung, Bitte um Selbstbestimmungsrecht, Forderung einer Volksabstimmung, Verfahrensfragen des Minderheitenschutzes, Durchführung der tschechischen Bodenreform, Verstaatlichung der Grenzwälder, gewaltsame Entnationalisierung durch tschechische Bodenreform, tschechischer Gesetzentwurf zur Verstaatlichung und Einführung tschechischer Sprachverordnungen in Heilbädern, tschechische Bodengesetzgebung, Beschlagnahme des Kurortes Karlsbad, ungenügende Finanzierung einer deutschen Hochschule, Forderung des Selbstbestimmungsrechtes und zuletzt mehrfach Protest gegen die Einbeziehung in die CSR. In keinem einzigen Punkt wurde den Bitten oder Forderungen der Sudetendeutschen stattgegeben. *136)

Aus realpolitisch-pragmatischen Gründen gaben einige deutsche Parteien - die sog. "Aktivisten" - Mitte der 20er Jahre ihre starre Blockadehaltung auf. Dies ging nicht zuletzt auf die zahlreichen freundschafltlichen Werbeworte tschechischer Politiker zurück. Die Verweigerer einer politischen Mitwirkung - die sog. "Negativisten" - lehnten die nationalstaatliche Struktur der CSR prinzipiell ab und verwiesen auf die zahlreichen antideutschen Verlautbarungen, auf die durch die Verfassung verankerte Verweigerung der Gleichberechtigung sowie auf die Nichtgewährung des Selbstbestimmungsrechts. Auf Dauer verharrten nur die DNP (Deutsche Nationalpartei) und die DNSAP (Deutsche Nationalsozialistische Arbeiterpartei) in ablehnender Haltung. *137)

War gerade die SPD die Wortführerin der deutschen Demonstrationen für den Verbleib bei Österreich und wiederum dessen Angliederung an das Deutsche Reich gewesen, so bejahte sie seit 1926 prinzipiell die Staatsstruktur. Seit 1930 hatte sie neben dem BdL (Bund der Landwirte) und der DCV (Deutsche Christlich-Soziale Volkspartei) sogar Minister in der Prager Regierung - ohne daß es Fortschritte gab, "vielmehr sogar Rückschritte. So wurde zum Beispiel die Mindestschülerzahl zur Gründung einer Minderheitenschule erhöht, die Neugliederung der Verwaltungseinheiten 1927/28 brachte für die deutsche Seite nachteilige Grenzziehungen, eine Änderung der Sprachenverordnung erfolgte nicht; das "Prinzip der nationalen Kulturautonomie" wurde von den tschechischen Sozialisten zwar anerkannt, aber noch nach Jahren waren keine praktischen Folgerungen gezogen." *138)


*136) vgl. Habel, Fritz Peter: a.a.O., S. 155 f.
*137) vgl. Habel, Fitz Peter; Kistler, Helmut: Das Sudetendeutsche Problem von 1919/20 bis 1933, a.a.O., S. 6
*138) ebd., S. 7

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