Die Durchführung der Besiedelung am Beispiel des Schönhengstgaues

Der Vorgang der Siedlung war fast überall eine Rodung aus wilder Wurzel. Nur der Süden und der Südosten der Sprachinsel war altbesiedelter Kulturboden. Die deutschen Siedler kamen nicht mit Gewalt in das Land, sondern sie wurden vom König, von den Klöstern und den geistlichen sowie weltlichen Grundherren gerufen. Es ging in keinem Falle um eine Landnahme, sondern immer um eine Landgabe. Wenn der Süden und Südosten des Schönhengstgaues noch in der alten Form der Siedlung mit Haufen- und Straßendörfern besetzt wurde, erfolgte die Besiedelung des übrigen Landes nach einem unerhört neuen, wohlüberlegten Plan. Es wurden, mit Ausnahme weniger Runddörfer, wie sie gerade in etwa vorhandene Talkessel paßten, überall Reihenhufen- oder Waldhufendörfer angelegt. Bei dieser Form der Siedlung schloß der Grundherr mit dem eigentlichen Dorfgründer, dem "Lokator", einen Vertrag ab. Oft, aber nicht immer, war der Lokator ein Ritter. Er erhielt ein entsprechendes Ausmaß an Land zugewiesen und übernahm die Verpflichtung, auf diesem Lande deutsche Bauern anzusiedeln. Der Vertrag wurde, wie wir das bei Hermersdorf und anderen Beispielen feststellen können, urkundlich festgelegt. Zur Sicherung des Vertrages mußte der Lokator eine nach Zahl der Hufen bemessene "Anleit" bezahlen (Wobei eine Hufe = 120 bis 150 Metzen, den Metzen zu 19,18 a gerechnet) Es herrschte damals ein ausgezeichnetes Gefühl für die notwendige Größe eines Bauernhofes, der dem Besitzer und seiner großen Familie in jedem Falle den ausreichenden Lebensunterhalt gewähren mußte. Der Lokator, nach dessen Name das Dorf oft benannt wurde, bekam als Lohn für seine schwierige Aufgabe der Dorfgründung jede fünfte oder sechste zinsfreie Hufe und wurde der Richter des Dorfes. Dem Erbrichter stand der dritte Teil aus den Einnahmen der niederen Gerichtsbarkeit zu. Er erhielt eine oder zwei Mühlen und zwei oder drei Zinsbauern, die ihm bei der Feldbestellung und während der Ernte helfen mußten. Er konnte sich Handwerker vom Schmied bis zum Fleischhauer halten, besaß die Schankgerechtigkeit und mitunter auch das Recht, Bier zu brauen. Manchmal stand ihm auch zu, "Salz zu schütten und Tuch zu schneiden". Dagegen hatte er die Giebigkeiten, die dem Grundherrn gehörten, einzuheben und mußte zum Dienst bei der Herrschaft zu Roß oder zu Fuß, mit einer Armbrust bewaffnet, bereit sein. Doch konnte er für diesen Dienst auch einen geeigneten Mann stellen. Hatte er das Recht zu jagen, mußte er die Jagdbeute, wie das beim Pirkelsdorfer Erbrichter der Fall war, mit der Herrschaft teilen. Manchem Erbrichter war es auch erlaubt, für seine Schüssel zu fischen. Das Beispiel der neuen Art zu siedeln, wirkte im ganzen Lande nach. Die Freiheit, wie sie den deutschen Bauern hinsichtlich ihrer Person, ihrer Höfe und ihrer Wirtschaftsführung gegeben wurde, war gegenüber der Unfreiheit und dem Flurzwang der slawischen Bauern außerordentlich hervorstechend. Es kann daher nicht wundernehmen, daß auch die slawischen Bauern, die abgestiftet werden konnten und Dienste leisten mußten, verlangten, nach deutschem Recht ausgesetzt zu werden. Dieser Forderung wurde durch die Gewährung einer sogenannten "Handfeste" [Hamfest] entsprochen und auch im tschechischen Siedlungsgebiet wurde die bisher nach Pflügen bemessene Dorfflur in Hufen (Lahnen) eingeteilt und an die slawischen Bauern mit einigen Einschränkungen zu deutschem Recht vergeben. Aus diesem Grunde ist es vielleicht zu erklären, daß Reihenhufendörfer mit Erbrichtern auch in den mit Slawen altbesiedelten Teilen der Bezirke Leitomischl und Politschka zu finden waren. Dagegen glitt im Laufe der Jahrhunderte die Rechtsstellung der deutschen Bauern mehr und mehr ab. Und doch lebten die deutschen und, dank der deutschen Siedlung, auch die slawischen Bauern zwei Jahrhunderte lang, geschützt durch ein sicheres Recht, in einem behäbigen Wohlstand, bis das Unglück der Hussitenstürme über sie hereinbrach und Land und Volk an den Abgrund des Verderbens brachte. *27)

E. Franzel bemerkte hierzu auf S. 67/68, daß es sich bei der deutschen Form der bäuerlichen Wirtschaft nicht nur um ein Privileg für die Siedler, sondern um die fortschrittlichere agrarwirtschaftliche Methode handelte, weshalb vielfach auch tschechische Bauern ihren Grundherren den Übergang von der bisherigen Rechtsform zu einer "nach deutschem Recht" anboten.

Den Grundsatz, nach dem deutschrechtlich gesiedelt wurde, hat Markgraf Ladislav Heinrich von Mähren in seiner Urkunde für den Johanniter Orden zu Beginn des 13. Jahrhunderts sehr klar umschrieben: Habeant in omnibus sicut habent Theutonici, securam libertatem, jus stabile et firmum ... (Sie sollen es in allen Punkten haben wie die Deutschen, sichere Freiheit, ein beständiges und festes Recht).


*27) vgl. Schönhengster Heimatbund e.V.: a.a.O., S. 14 ff.

Weiter zu Kapitel 4 | Zum Inhaltsverzeichnis